Madame Cléo und das große kleine Glück by Tanja Wekwerth

Madame Cléo und das große kleine Glück by Tanja Wekwerth

Autor:Tanja Wekwerth
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: HarperCollins
veröffentlicht: 2017-03-07T16:00:00+00:00


ZWÖLF

„Signora!“

Jemand tätschelte ihren Handrücken. Sie öffnete die Augen und sah ihre Küchenlampe von unten. Wie merkwürdig, dachte Cléo.

„Sie ist doch nicht tot!“ Das war ja Mimi, und es lag so viel Panik in ihrer Stimme, dass Cléo auf der Stelle zu sich kam. Sie lag auf dem Fußboden, ihr Kopf tat etwas weh … und dann fiel ihr alles wieder ein. Am liebsten hätte sie die Augen gleich wieder zugemacht.

„Kommen Sie, Signora, ich helfe Ihnen auf.“

Ächzend kam Cléo auf die Beine und setzte sich auf ihren Stuhl.

„Du bist einfach umgekippt!“ Mimi zitterte.

„Es tut mir sehr leid.“

„Nein, mir tut es leid“, sagte Adamo, „ich hätte Sie mit den schlechten Nachrichten nicht so überfallen dürfen.“

„Noch mehr schlechte Nachrichten?“, fragte Mimi.

Cléo unterdrückte ein Stöhnen. Bitte nicht, lieber Gott, bitte nicht.

„Magdalena“, sagte Adamo, „ich werde dir die Wahrheit sagen, weil du kein kleines Kind mehr bist.“

„Doch, das ist sie“, brach es aus Cléo heraus. „Bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung. Wir schaffen es schon irgendwie.“

„Was ist denn los?“, rief Mimi.

„Ich habe meine Arbeit verloren“, antwortete Adamo, „und deshalb kann ich der Signora die Miete nicht mehr zahlen.“

„Sie brauchen mir gar nichts zu bezahlen!“, rief Cléo leidenschaftlich.

Er seufzte. „Sehen Sie doch bitte endlich die Realität.“

„Und was heißt das jetzt?“, fragte Mimi.

„Wir werden Berlin verlassen und nach Neapel zurückkehren“, antwortete Adamo mit fester Stimme. Er streckte die Hand aus, um Mimi zu berühren, doch sie wich zurück.

„Ich will aber hierbleiben.“

„Das geht nicht, Magdalena. In Neapel habe ich zumindest eine Schwester, bei der wir erst mal wohnen können und ich …“

„Die schmutzige Tante Aurora?“ Mimi runzelte die Stirn, „mit der wird sich Cléo aber nicht gut verstehen.“

Adamo und Cléo wechselten einen Blick.

„Was?“ Irritiert schaute Mimi zwischen den beiden hin und her.

„Mimilein … ich werde hierbleiben.“ Cléo schluckte, und dann musste sie mitansehen, wie Mimis kleines Gesicht ganz bleich wurde.

„Oh, ich hasse mich“, flüsterte Cléo, „es ist alles meine Schuld.“

„Nein, Signora. Es war von Anfang an lediglich ein Versuch, ob wir in Berlin Fuß fassen können.“

„Dann bleibe ich auch hier!“, rief Mimi.

Adamo schlug beide Hände über dem Kopf zusammen.

„Bitte!“ Cléo wusste selbst nicht, was sie damit ausdrücken wollte.

Mimis Unterlippe begann zu zittern. Sie schluchzte auf und lief laut weinend hinaus.

„Ich kann das nicht ertragen“, rief Adamo und stürmte ebenfalls aus der Küche. Kurz darauf knallte die Wohnungstür zu.

Cléo zuckte zusammen. Sie betrachtete ihre Hände: Die beiden übereinander gesteckten Eheringe, den etwas schiefen linken Zeigefinger, die vermaledeiten Altersflecken, die sie gerade gar nicht störten. Wenn es nur das wäre … Plötzlich nahm sie das Ticken der alten Küchenuhr überlaut wahr, und mit jedem Ticken wurde Cléo das Ausmaß der Katastrophe bewusster.

Tick: Sie würde die Wohnung aufgeben müssen …

Tack: Sie würde Paris nie wiedersehen …

Tick: Sie würde ein Sozialfall werden …

Tack: Ihre geliebte kleine Wohngemeinschaft würde sich auflösen …

Tick: Sie würde Mimi nicht aufwachsen sehen …

Tack: Höchstwahrscheinlich würde sie sie nie wiedersehen …

Draußen war es inzwischen dunkel geworden.

Cléo stand auf. „Kind“, rief sie leise, „wo bist du?“

Mimi hatte sich unter einem Berg Samtkissen in Cléos Bett vergraben und weinte.

„Bitte hör doch auf, Mimilein.



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